Zum Wein gibt es Emotionen – oder auch Yoga
Die zwei jungen Frauen fallen definitiv auf, in ihre Weinhandlung im Stuttgarter Süden verirrt sich plötzlich ein ganz neues Publikum: Junge Weinliebhaber, die auf unkomplizierte Botschaften stehen. Jetzt hat die Firma Wein-Moment beim Zukunftspreis des Handelsverbandes den dritten Platz gewonnen.
Viele halten sich für Weinexperten. Wer bereits zu unterscheiden vermochte, ob es sich um einen Roten oder Weißen handelt, fühlte sich im Spätherbst seines Lebens berufen, in den Weinhandel einzusteigen. Die Realität zeigt den Erbauern solcher Luftschlösser schnell, dass dazu echte Expertise nötig ist. Mehr denn je. Gerade in Zeiten, in denen der Handel in einer handfesten Strukturkrise steckt, sind Kompetenz und Innovation gefragt. Nicht zuletzt deshalb lobt der Handelsverband Baden-Württemberg jährlich einen Zukunftspreis aus.
„Ach, da bewerben wir uns“, dachten sich die Geschwister Anna-Lisa und Mona Wenzler. Beide sind als klassisches Start-up vor zwei Jahren angetreten, mit der Firma Wein-Moment den etwas schwerfälligen Weinhandel frischen Wind einzuhauchen. Dass dazu ein Konzept gehört, das den stationären Laden an der Hauptstätterstraße mit einem Online-Handel verknüpft ist eine Binsenweisheit im Handel. Das eine funktioniert heute nicht mehr ohne das andere.
Die Errungenschaft im E-Commerce hat die Juroren daher so wenig überzeugt wie das Sortiment an Weinen, Spirituosen, kulinarischen Besonderheiten und Geschenkideen. Das ist der Strich des i, den Punkt setzt das Konzept. Dabei ist der Name der Firma Programm: Wein Moment. Die Wenzler-Schwestern verkaufen Erlebnisse bei Verkostungen und Veranstaltungen, neudeutsch Events. „Wir verkaufen nicht nur Wein, sondern auch schöne Momente“, sagen sie und berichten, dass nach diesem Motto bereits die Großeltern vor 30 Jahren ihren ersten Weinladen in Ulm eröffnet haben.
Nach diesem Vorbild und mit den Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre aus dem zweiten Laden der Familie in Kirchentellinsfurt mit dem Namen „WeinGUT“ haben die beiden in dritter Generation ihren eigenen Weinladen im Stuttgarter Süden ins Laufen gebracht. Oder soll man sagen: Die Sache schießt durch die Decke. Wer sich im Laden umsieht, wird bemerken, dass das Telefon selten stillsteht. Täglich fragen mehrmals Firmen oder private Gruppen, ob ein Termin für eine Verkostung frei sei. „Erst zuletzt waren 145 da“, sagt Mona Wenzler und berichtet stolz, „dass die meisten Leute zwischen 25 und 40 Jahre als sind.“ Stolz ist sie deshalb, weil sie mit ihrer Schwester das Image des Weines entstauben will. Daher seien sie ständig auf der Suche nach jungen Winzern, die den Wandel in der Szene repräsentieren. Das Alte verkauft sich schlecht. So muss Mona Henzler bei einem Spitzenwein mit einem „furchtbaren Etikett drei mal so viel erzählen, als über den Wein mit Namen Kesselliebe“.
Die Verpackung sei wichtig. Dies gelte auch für die Veranstaltungen. Events, wie das eher mit einem Augenzwinkern angelegte Yoga und Wein, kommen an und sind Nullkommanix ausgebucht. Der Clou daran ist, dass die zehn Teilnehmer bei den Yoga-Übungen gleichzeitig ein Glas Wein balancieren. Getrunken wird freilich auch. „Aber nicht so viel“, sagt Mona Wenzler und berichtet im nächsten Atemzug begeistert vom Speed-and-Wine-Tasting. 13 Frauen und 13 Männer testen 13 Weine und letztlich sich gegenseitig auf Sympathie. „Da hat man ultraviel Spaß“, verspricht Mona Wenzler. Beide Unternehmerinnen haben erkannt, dass man im Handel vor allem Emotionen verkauft – ungeachtet der Tatsache, dass beim Wein die Qualität stimmen muss. Aber wenn Marketing und Inhalt zusammenpassen, ist der Kunde schneller überzeugt.
Diese Pfiffigkeit hat die Jury des Zukunftspreises offenbar überzeugt – neben den Kriterien „zukunftsweisendes Konzept“ und „klares Unternehmensprofil“. Als Preis gewannen die Schwestern die Produktion eines professionellen Imagefilms.
www.wein-moment.de