Genussbotschafter Vincent Klink feiert seinen 70. Geburtstag

Musiker, Autor, Genussmensch: Vincent Klink ist so vieles – allen voran ein Koch, der weiß, was er macht. An diesem Dienstag, 29. Januar, feiert der  Stuttgarter Restaurantchef seinen 70. Geburtstag. In Stuttgart ist er längst ein lebendes Kulturgut, was sich bei vielen öffentlichen Auftritten zeigt – zum Beispiel mit Timo Hildebrand (Bild oben links) und  Eric Gauthier (rechts)  beim Jubiläum der Buchhandlung Wittwer vor gut einem Jahr.

Vincent Klink wird am 29. Januar 70 Jahre alt. Das wäre ein guter Anlass, mal wieder mit ihm zu sprechen – über gutes Essen, den Druck in der Sternegastronomie oder über Trends, um die er sich nicht schert, und überhaupt darüber, was er noch vor hat. An Themen würde es nicht mangeln. Aber Klink gibt keine Interviews, er schreibt: „Ich freue mich auf meinen Siebzigsten, da man sich in diesem Alter vieles mehr herausnehmen kann als in der Jugend. Ich habe also überhaupt kein Altersproblem.“

Seit vielen Jahren kocht er in seiner Wielandshöhe, dem Restaurant mit Gleisanschluss, an dem die Zahnradbahn vorbeifährt. Aus dem Lokal blickt man hinunter in den Stuttgarter Kessel, Klink aber blickt nie hinab auf andere, auch wenn viele zu ihm aufschauen. „Ist der Chef auch da?“ ist eine Frage, die oft gestellt wird von den Gästen in der Wielandshöhe. Keine Frage, Vincent Klink ist Stuttgarts prominentester (auch wenn er das Wort sicher nicht mag) und umtriebigster Genussbotschafter. Wer bei ihm einkehrt, möchte ihm begegnen. Klink kocht zweimal im Monat im Fernsehen, liest, schreibt, spielt inzwischen Querflöte und nicht mehr Trompete, imkert – und denkt sich gerade wahrscheinlich eine neue Leidenschaft aus. Gerne wird er als „Unikat“ oder „Tausendsassa“ bezeichnet, jüngst von einem Kollegen ganz treffend als „Pazifist zwischen den Kochtöpfen“. Alles passt wie Deckel auf Topf – und man fragt sich immer wieder, wann der Pfundskerl denn eigentlich schläft. Nach eigener Aussage komme er mit fünf Stunden Schlaf die Nacht aus.

Oft sind die Küchen in Lokalen der Raum, der nach den Toiletten am wenigsten Platz einnimmt, weil die ja auch viel Miete kosten. Die Küche in der Wielandshöhe ist groß, viele Menschen arbeiten hier an den verschiedenen Stationen. Die Autorin dieser Zeilen durfte vor mehr als elf Jahren einen Tag lang mitarbeiten. An den Rouladen. An den Kacheln klebte ein „Pin-up“: ein Foto eines Rindes aus dem Piemont. Klink hat rund 25 Mitarbeiter, die Produkte sind von hoher Qualität – und das sind nur zwei der vielen Gründe, warum in der Wielandshöhe ein Hauptgericht um die 40 Euro kostet.

Der Chef geht von einem Topf zum anderen, in der Hand einen Löffel, er probiert, lobt, tadelt, laut wird seine Stimme nie. Das Büro des Chefs, das er selbst „Konzern­zentrale“ oder liebevoll „Kabuff“ nennt, ist vielleicht  zwei auf zwei Meter groß. Ständig klingelt das Telefon. Trompeter Till Brönner, „ein Freund von mir“, möchte am Abend mit neun Leuten kommen. Alles ist ausgebucht. „Saublöd. Aber jetzt kommen sie eben morgen Mittag.“  Klink ist das Korrektiv in der Küche, der Ideengeber und „die Feder, die alles antreibt“, versteht die Arbeit in der Wielandshöhe aber klar als Teamsport. Mit dabei sind seine Frau Elisabeth und seit sieben Jahren auch  Tochter Eva.

Sein Vater, Amtstierarzt in Schwäbisch Gmünd und ein Hobbykoch, der bei Paul Bocuse und bei den Haeberlins gegessen hatte, brachte seinen Kindern bei, wie man alles vom Tier verwertet. Vincent wird Koch, eröffnet mit 25 Jahren sein erstes eigenes Restaurant, das Postillion in Schwäbisch Gmünd, bekommt mit 29 Jahren seinen ersten Michelin-Stern. 1991 zieht es ihn und seine Frau nach Stuttgart. Denn die Promillegrenze sinkt tiefer und die Befürchtung ist  groß, dass die Stuttgarter nicht mehr nach Schwäbisch Gmünd fahren würden.

Den Michelin-Stern hat Klink, mit Unterbrechung im Jahr 2001, noch heute auf der Wielandshöhe – und das mit durchaus rustikaler, bodenständiger Küche. Ein Klassiker sind die Lembergerkutteln, die seit 40 Jahren ohne Unterbrechung serviert werden. Im Winter gibt es die raren Fische der Rheintalwasser hinter Karlsruhe und Bachforellen mit Alblinsen. Klinks Lieblingsgericht ist Göckele, „aber kein ausgemergelter Broiler, sondern Bioware aus dem Hohenlohischen“.

Kulinarischer Firlefanz und jedwede Moden sind Klink zuwider. Gerichte, die man nicht kaufen kann, sind für ihn selbst Luxus. An seinem freien Tag macht er sich gern  aus Hartweizenmehl und vielen Eigelb breite Nudeln, vermengt sie mit Olivenöl, salzt und pfeffert. Fertig. Klink ist ein zupackender Schaffer, einer, der gerne gut isst – und ein Schwabe, der stolz auf seinen Dialekt ist.

Zurück in die Küche: Klink ist seine eigene Messlatte. „Mir muss es schmecken“, sagt er, der sich einer klaren, nüchternen Linie verschrieben hat. Und auch: „Wir schauen nicht auf die Preise der Lebensmittel.“ Gut müssen sie eben sein. Ganz ohne Firlefanz. Immer gibt es bei ihm Maultaschen, „den Union Jack der Schwaben“, mit einer hauchdünnen Teighülle. „Maultasche muss Maultasche bleiben, da gehört kein Lachs oder sonstiger Zeitgeist hinein.“ Klink schert sich nicht um Trends, schaut aber immer über den Tellerrand und den Kessel hinaus. An seinen wenigen freien Tagen reist der Herr Feinschmecker, zum Beispiel nach Paris, und packt seine Erlebnisse in Bücher.

In „Immer dem Bauch nach“ hat er seine kulinarischen Reisen gesammelt, der Titel „Meine Rezepte gegen Liebeskummer“ spricht für sich, in „Ein Bauch spaziert durch Paris“ flaniert und isst er sich durch die französische Hauptstadt, und mit „Sitting Küchenbull“ erinnert er sich an sein kulinarisches Aufwachsen in Schwäbisch Gmünd, seine Kochlehre im Badischen und seinen  Werdegang bis zur Eröffnung seines ersten eigenen Restaurants Postillion. Er schreibt, wie er kocht: auf den Punkt. Heute schreibt er weniger, die kulinarische Streitschrift „Häuptling eigener Herd“, die er mit seinem Freund Wiglaf Droste veröffentlicht hatte, gibt er  nicht mehr heraus. Jüngst hat er Texte aus seinem Tage- und Rezeptbuch (erschienen unter dem Titel „Angerichtet, herzhaft und scharf!“) veröffentlicht.

Die Mail von Vincent Klink, warum er anlässlich seines Geburtstags nicht spricht, ging übrigens noch weiter: „Der Wirbel aber nur wegen eines runden Geburtstags lässt mich fliehen. Also, buchstäblich verduften mit unbekanntem Ziel und ohne Smartphone.“ Dies zur Information, falls jemand die Wielandshöhe an diesem Tag besucht und fragt, ob der Chef auch da ist.

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