Französische Backkunst: La Boulangerie an der Schwabstraße

Frankreich ist angesagt: Nach dem Moustache im Stuttgarter Süden gibt’s nun auch im Westen französische Backwaren. La Boulangerie ist Lebenstraum und Genussadresse in einem: Dominique Gueydan hat nun neben seinem Le Tonneau eine Bäckerei eröffnet.

Dieser Duft, zunächst ist da dieser Duft. Es riecht nach frischem Sauerteig, ja, ganz eindeutig. Wenige Meter weiter verändert sich der Duft. Plötzlich liegen frisch gebackene Croissants in der Luft, gefolgt vom himmlisch süßen Aroma einer Aprikosentarte. Das ist merkwürdig. Wir befinden uns schließlich nicht in Frankreich, sondern in der Schwabstraße.

Andererseits ist dieses Eckchen ganz oben am Rosenbergplatz eh so etwas wie La petite France, Klein-Frankreich. Hier das heimelige Bistro Le Tonneau, schräg gegenüber an der Bushaltestelle war vor einem asiatischen Zwischenspiel das Restaurant Coq au Vin. Letzteres ist nach einer aufwändigen Transformation als französische Feinbäckerei mit dem ebenso simplen wie wohlklingenden Namen La Boulangerie wiedergeboren worden.

Hinter all dem (und noch mehr) steckt Dominique Gueydan. Seit exakt 30 Jahren ist der Franzose jetzt in Stuttgart – genau der richtige Zeitpunkt also, um sich einen lang gehegten Lebenstraum von der klassisch französischen Bäckerei zu erfüllen. Den träumt der 59-Jährige schon sehr lange, wie ein ganz besonderes Bild in der duftenden, wohlig-warmen Backstube zeigt. Darauf zu sehen ist die Zeichnung eines alten Hauses, in dem eine Bäckerei untergebracht ist – die seines Großvaters in der Provence.

„Ein junger Soldat fertigte dieses Bild im Zweiten Weltkrieg für einen Laib Brot an“, erzählt Gueydan. Die Bäckerei war das Zentrum seiner Kindheit, ein Ort, tief und fest in seiner Erinnerung verwurzelt. „Mit neun Monaten habe ich meine ersten Schritte in dieser Bäckerei gemacht“, erinnert er sich selig. „Wahrscheinlich“, schmunzelt er vergnügt, „hat man mich mit einem Stück frischem Baguette gelockt.“ Das scheint plausibel. Mit der Stangenware, die in den meisten Bäckereien leichtfertig unter dem Namen Baguette verscherbelt wird, hat diese Backware nichts zu tun: Es knuspert verführerisch, wenn man auf die bemehlte Kruste drückt, innen ist der Teig luftig-locker. Eine Wucht, keine Übertreibung.

„Jedenfalls hat mich diese Zeichnung der Bäckerei nie losgelassen und immer daran erinnert, dass ich eines Tages die Familientradition fortführen möchte. Die letzte große Unternehmung meines Lebens. Ich möchte als Bäcker aufhören – und nach Möglichkeit auch genau so erfolgreich.“ Es sieht ganz danach aus. Die Menschen stehen Schlange an diesem Samstag, viele bleiben neugierig stehen, schnüffeln genussvoll, betreten die Boulangerie und verlassen sie wieder, beladen mit feinstem Gebäck. Wer länger bleibt, genießt einen Café au Lait im Stehen. Stilecht serviert in der kleinen Suppenschüssel ohne Henkel.

Alles, wirklich alles wird hier nach alten Rezepten frisch gebacken. Die Backstube befindet sich gleich hinter der Theke, die Patisserie im früheren Lager ein Zimmer weiter. „Deswegen müssen wir uns erst an die Abläufe herantasten“, betont der Chef. „Gerade am Anfang werden wir also vielleicht noch nicht unser volles Sortiment anbieten können.“ Die Auslagen biegen sich auch so. Der Bäckermeister ist eigens aus Südfrankreich nach Stuttgart gekommen, auch ein Paar aus Paris, sie Konditorin, er Bäcker, arbeitet jetzt in der Boulangerie. Verstärkung wäre Gueydan aber noch Willkommen – Französisch sprechen allerdings durchaus wichtig, wie er schmunzelnd anmerkt.

Er selbst hat keine Bäckerlehre absolviert. „Mein Vater hat mich stattdessen auf der Hotelfachschule in Grenoble angemeldet, wo ich Restaurantfachmann lernte.“  Anschließend ging er ins Ausland, arbeitete in Amerika, England und Deutschland. Mit Deutsch als erster Fremdsprache  sei das nie ein Problem gewesen. Über Reutlingen und Öhringen kam er 1988 nach Stuttgart, wo man ihn nicht nur für das Le Tonneau oder das Coq au Vin, sondern auch als Vater der Vital-Lunch-Läden kennt. Jetzt geht er also doch noch unter die Bäcker. Und könnte trotz des straffen Pensums und dem frühen Aufstehen glücklicher nicht sein. „Ich hoffe nur, den Stuttgartern gefallen unsere französischen Backwaren.“ Den Mienen nach zu urteilen sogar sehr. Kaum einer, der die Boulangerie nicht mit einem Lächeln verlässt.

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