Ein Winzer und ein Koch mischen das Dorf auf
Letzte Ausfahrt Roßwag: In dem kleinen Dorf gibt’s eine Ansammlung kulinarischer Höhepunkte. Unter anderem kocht dort Steffen Ruggaber im Lamm mit einem Michelin-Stern, Johannes Hoffmann keltert in seinem ganz jungen Weingut Roterfaden beste Weine nach Demeter-Richtlinien.
Johannes Hoffmann und Steffen Ruggaber sitzen im Gastraum des Restaurants Lamm im Ortskern von Roßwag. Sie plaudern über den Wein und die frühe Lese 2018, zwischen ihnen eine Flasche Riesling von Hoffmanns Weingut Ro-terfaden. „Wir ernten immer früh, weil wir nicht so viel Alkohol in unseren Weinen wollen“, erklärt Hoffmann und nimmt einen Schluck. Aus dem Jahr 2016 ist der Riesling, ein inspirierender Jahrgang für den 34-jährigen Winzer. Doch auch vom Jahrgang 2018 erwartet er Gutes. „Die Trauben waren zum Großteil perfekt.“
Im Restaurant Lamm spielt sich seit einem halben Jahrhundert das Roßwager Leben ab. Auch Hoffmann war früher oft dort zu Gast, hier reifte sein Entschluss, Weinbau zu studieren. „Meine Großeltern haben hier jedes Fest ausgerichtet – von der Silbernen bis zur Diamantenen Hochzeit“, sagt Hoffmann. Zum 80. Geburtstag der Oma brachte er dann seine heutige Frau Olympia Samara, eine Griechin, deren Vater ebenfalls im Weingeschäft tätig ist, erstmals mit nach Roßwag. Eine Herausforderung für sie: Anfangs verstand sie kein Wort von dem breiten Schwäbisch des Ortes.
Damals leitete Ruggabers Vater das Restaurant samt Hotel, Metzgerei und Weinbergen. Seit 2002 führt der heute 42-Jährige die Geschäfte. Und änderte die Dinge Schritt für Schritt. „Meine Devise war von Anfang an, frisch zu kochen“, so Steffen Ruggaber, der seine Lehr- und Wanderjahre unter anderem beim Drei-Sterne-Koch Dieter Müller zubrachte. „Anfangs versuchten wir es neben den Klassikern mit Überraschungsmenüs – um sanft zu zeigen, was sonst noch alles möglich ist.“
Diese Menüs etablierten sich und erlaubten dem Koch 2009 den Umbau des Hauses, 2012 kam der erste Stern. Leicht war das nicht. „Ich wollte ja nicht sofort all das ändern, was meine Eltern 40 Jahre lang aufgebaut hatten. Es war deswegen nicht immer einfach, ihnen nahe zu bringen, dass wir einen anderen Weg einschlagen möchten.“ Mittlerweile ist Ruggaber etabliert, will den Stern aber keineswegs als Abschreckung verstanden wissen. „Jeder ist willkommen. Auch der Radfahrer, der ein Glas Weißwein auf unserer Terrasse trinkt.“
Ein wenig anders war Hoffmann Werdegang. Zwar bewirtschafteten seine Großeltern einen klassischen Mischbetrieb mit Ackerbau, Milchvieh und Weinbau; die Trauben gaben sie aber wie die meisten hier an die örtliche Genossenschaft ab. „Mein Vater entschied sich dann gegen die Landwirtschaft, also wurde der Betrieb aufgelöst“, sagt er. Eher aus Zufall denn aus familiärer Tradition entdeckte Hoffmann das Interesse am Weinbau, entschied sich für das Studium in Geisenheim, in Weinkreisen eine Art Mekka der Bildung. „Ich merkte schnell, dass ich das ziemlich spannend fand, weil der Weinbau viele Berufsbilder in sich vereint.“ In Geisenheim lernte er auch seine Frau kennen. Die beiden reisten um die halbe Welt und arbeiteten auf Weingütern zwischen Frankreich, Kalifornien und Österreich. „Bald kam der Gedanke auf, eigenen Wein zu machen.“ Also kehrte er nach Roßwag zurück. „Das hiesige Netzwerk ist unbezahlbar“, sagt er.
Ruggaber schenkt Riesling nach und nickt. Beide waren einige Jahre nicht in Roßwag, beide sind wieder hier. Steffen Ruggaber und seine Frau Sonja mittlerweile mit zwei Kindern. „Wir hatten alles, was wir brauchten“, schwärmt Ruggaber von seiner Kindheit. „Mit dem Rad kamen wir überall hin, wir waren ständig im Wald oder auf dem Bolzplatz.“ – „Mein Vater trainierte dich ja sogar im Fußball“, schiebt Hoffmann ein. Es herrscht eine entspannte, respektvolle und freundschaftliche Beziehung zwischen den beiden. Obwohl Ruggaber einige Jahre älter ist, kennen sich die beiden ewig. In Dörfern wie Roßwag nichts Besonderes. Bei den beiden verlief dieser Kontakt aber eben nicht irgendwann im Sande. Ruggaber findet: „Es ist ja klar, dass man sich mit Menschen verbunden fühlt, die eine ähnliche Passion für ihre Arbeit haben.“
Im Lamm gibt es die Weine vom Weingut Roterfaden, Hoffmann und Samara gehen oft und gern mit Kollegen bei Ruggabers essen. Wein und Genuss verbinden eben. Das war hier schon immer so. „Als Kind ist es natürlich traumhaft, im Weinberg rumzuspringen, bei der Ernte zu helfen oder die Flaschen zu etikettieren“, erinnert sich Ruggaber. Auch Hoffmann war schon früh für die Arbeit in den Weinbergen seiner Großeltern eingespannt. „Das gehörte dazu, das ganze Dorf fieberte auf die Ernte hin. Diese Stimmung habe ich sehr genossen, da schwang immer eine gewisse Aufregung mit. Auch die Ernte wurde damals noch zelebriert, mit einem Fest für alle Erntehelfer. Das machen wir heute immer noch genauso.“
Die Steillagen der Großeltern will das Winzerpaar um keinen Preis aufgeben. „Eine Terrassenlage ist fünfmal so viel Aufwand wie eine flache Lage. Nichtsdestotrotz ist unser Anspruch, Menschen zu finden, die diese Weine zu schätzen wissen.“
Vor 30 Jahren war vieles allerdings noch anders. Damals gab es eine Auswahl an klassischen, schwäbischen Gerichten, der Liter-Wein war fruchtig und eher lieblich, auch bei den Roten. „Ein älterer Winzer sagte erst kürzlich zu mir, dass Qualität früher einfach kein großes Thema war“, so Hoffmann dazu. Diese Zeiten sind vorbei. Selten sieht man das so deutlich wie hier in Roßwag.