Der Wirt vom Bierhaus West hat das Traditionshaus abgeschlossen

Das Ende einer Ära: Vor über 40 Jahren hat Alexander Laub das Bierhaus West eröffnet, über Jahrzehnte war dieses ein Promi-Treff. Bis zuletzt war das Lokal Anlaufpunkt von Adel, Politik und Wirtschaft. Zum Abschied erinnert sich der Wirt an eine große Zeit.

Alexander Laub sitzt vor seinem Restaurant Terrazza am Schlossplatz und schlürft bedächtig ein Viertele. Seit den frühen 1980ern betreibt er das Bistro im Königsbau. „Damals wurde die Königstraße am Schlossplatz gerade zur Fußgängerzone“, erinnert sich Laub. „Wir waren die ersten, die Stühle auf der Straße hatten, das muss vor 1981 gewesen sein. Unser Nachbar, das Café Königsbau“, fügt er schmunzelnd an, „hat stolze fünf Jahre gebraucht, bis man begriffen hat, dass man mit Außengastronomie Geld verdienen kann.“

Geschichten wie diese hat der Wirt unzählige auf Lager, er berstet praktisch vor ihnen. Man muss ihm allerdings Ruhe lassen, um sie hervorzukramen. Er schwärmt vom Historischen Volksfest, das auf dem Schlossplatz erstmals stattgefunden hat. „Ich bin geborener Cannstatter, da war das Volksfest schon als Bub immer ein Höhepunkt“, erzählt er.

Besonders aber auch, weil er mal Wasenwirt war. Als er Ende der 1990er das Schwabenbräu-Zelt übernahm, erfüllte er sich einen lang gehegten Traum. „Natürlich war das ein hoher finanzieller Aufwand und ein gewaltiger Kraftakt, aber wir haben es immer sehr, sehr gern gemacht“, so der heute 74-Jährige. „Nach zwölf intensiven Jahren haben wir dann aber für uns entschieden, dass es erst mal reicht.“

Das war 2008, da lagen schon 50 Jahre Gastronomie hinter ihm. Gelernt hat Laub von 1958 an im Hindenburgbau gegenüber dem Bahnhof, wo früher eine Großgastronomie untergebracht war. „Ein riesiges Ding mit verschiedenen Restaurants“, erzählt Laub. „Da wurden täglich Zigtausend Essen verkauft. Damals gab es kaum Kantinen, es gab keine Kaufhausrestaurants, Schnellrestaurants schon gar nicht.“

Danach ging er nach Genf an die Hotelfachschule, anschließend verschlug es ihn nach Südafrika – mit einem One-Way-Ticket, wie er anmerkt. Danach ging es auf die Bermudas, dann nach Schweden und auf die Philippinen. Laub, Stuttgarter durch und durch, ließ sich von seiner Schwester Zeitungsausschnitte schicken, damit er wusste, wie es um den VfB so bestellt war. „Außerdem sprachen wir auf Tonbänder und schickten sie uns. Telefonieren war unbezahlbar, eine Minute von den Philippinen nach Deutschland kostete 60 Dollar.“

Laub ist wie immer gut angezogen. Er trägt einen original schwäbischen Trachtenmantel. „Diese Dirndl, die heute getragen werden, haben für mich nichts mit dieser Region zu tun. Die authentische schwäbische Tracht ist vielleicht nicht angesagt, aber das ist ja das Trauerspiel. Dasselbe gilt für die schwäbische Küche. Es gibt ganz wenige Lokale, die sie so praktizieren, wie wir es im Bierhaus West getan haben.“

Da ist sie schon, die Überleitung. Am 2. November 1977 eröffnete Laub das Lokal an der Seidenstraße im Westen, damals gab es neben sechs Fassbieren einzig Mettbrötchen und Brezeln von der Bäckerei Bosch. „Die hieß damals aber noch Richter“, merkt er an. Irgendwann wollten die Stammgäste etwas „Richtiges“ zum Essen, und ehe sich Laub versah, war aus der Kneipe ein richtiges Restaurant geworden. „Das muss irgendwie ganz gut gewesen sein, sonst hätte es uns wohl keine 41 Jahre gegeben.“

Das ist, gelinde gesagt, tiefgestapelt. „Es kamen im Lauf der Jahre immer mehr Persönlichkeiten zu uns“, sagt Laub. „An manchen Abenden saßen fünf Milliardäre bei uns an einem Tisch. Die waren völlig normal, mussten sich nichts beweisen. Anders waren da schon die Neureichen, die haben bei uns keinen Fuß auf den Boden gekriegt.“ Industrie, Politik, Presse, Sport oder Adel: Alle kamen sie regelmäßig und gern ins Bierhaus West. „Der Herzog von Württemberg war Stammgast bei uns, der Markgraf von Baden hat einige Feste bei uns gefeiert, auch der Baron von Weiler aß gern hier“, sagt Laub.

Alle waren sie wegen Alexander Laub hier, aber auch wegen der Küche. „Es war eine Tragik, wenn die Fleischküchle mal aus waren“, wirft Laub die Hände in die Luft. „Die Leute sind schier in Tränen ausgebrochen. „Besonders schlimm war aber eben auch, dass ich mit Francois Josserand über 30 Jahre lang einen französischen Koch hatte, der schon mit Bocuse gearbeitet hatte. Ein ganz großer Könner, der im Bierhaus West natürlich deutlich unterfordert war.“ Um zu verhindern, dass der Koch nicht überschnappt, wurden die Fleischküchle wahnsinnig teuer verkauft. „Aber es funktionierte nicht, die Leute bestellten sie trotzdem!“

Fleischküchle, Maultaschen oder Kutteln: Zwischen Kabinettsmitgliedern von Bill Clinton, dem Head Office von Daimler, Kurt Weidemann oder dem von der RAF ermordeten Alfred Herrhausen herrschte Einigkeit: Die Küche im Bierhaus West ist unvergleichlich. So unvergleichlich gar, dass Laub Kochnachhilfe gegeben hat. „Ich habe verschiedene Damen der Gesellschaft samstags um elf Uhr vormittags gezeigt, wie man richtigen Kartoffelsalat macht. Allerdings“, fügt er schelmisch an, „war bei vielen wirklich Hopfen und Malz ­verloren.“

Als Josserand voriges Jahr starb, stand Laub noch ein halbes Jahr selbst in der Küche, dann beendete er die Ära ­Bierhaus West. „Das Bierhaus war mein Wohnzimmer, dort verbrachte ich mehr Zeit als zu Hause. Ich war jeden Tag gern im Restaurant und bei meinen Gästen. Das tut schon weh.“ Nicht nur ihm: In der ganzen Stadt ist das Wehklagen groß, unlängst äußerte sich der Literaturktitiker und Kuttel-Fan Denis Scheck bestürzt über das Ende dieser Institution.

Was bleibt, sind Erinnerungen, die ganze Bücher füllen könnten. Und eine ziemlich große Sehnsucht nach Fleischküchle.

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