Das Citizen Long eröffnet im Schatten der Stiftskirche
Ein gehobenes Restaurant bringt Leben in ein bisher dunkles Eck: Nach einem Probelauf eröffnet nächste Woche hinterm Fruchtkasten das Citizen Long. Mit dem hochwertigen Konzept könnte eine dunkle Ecke der Stadt belebt werden.
Zehn Sternerestaurants, die es seit Kurzem in Stuttgart gibt, stellen einen beträchtlichen Imagefaktor für die Stadt dar. Eine halbe Etage darunter allerdings wird die Luft dünner mit etwa nur einer Handvoll Locations ohne Stern, die Thema für die bundesweiten Gourmetführer sind. Doch nun kommt es im Fine-Dining-Bereich zu weiterem Zuwachs: Nach dem etwas plüschig-protzigen Richter’s eröffnet in wenigen Tagen das puristischere Citizen Long. Die 470 Quadratmeter für bis zu 140 Gäste sind in zwei Bereiche geteilt: in einen Restaurantteil mit Bar, in dem nackte Betonwände im Kontrast zu hellem Bambus-Parkett und -bänken stehen; und in einen Küchenbereich, in dem mit Blick auf die sehr lange Kochzeile etwa 60 Gäste Platz finden.
Hinter dem Konzept, das seit geraumer Zeit Stadtgespräch ist, stehen Ngon Dinh und Hoang Pham. Das Geschwisterpaar betreibt in Stuttgart seit zehn Jahren sehr erfolgreich das vietnamesische Restaurant Breitengrad 17 und seit anderthalb Jahren eine Dependance in Ludwigsburg. Mit dem Citizen Long wagen sich die beiden in höhere Sphären. Der Name, so Dinh, vermittle Urbanes und Asiatisches. Mit einer eurasischen Fusion-Küche wolle man „das Beste von zwei Kontinenten zusammenführen“.
Bei den ersten Planungen war noch der ehemalige Sternekoch Russell Pirrit als Küchenchef mit an Bord. Aber wegen „inhaltlicher Differenzen“ habe man sich lange vor der Eröffnung wieder getrennt. Letztlich sei Pirrit doch zu französisch geprägt gewesen, heißt es. Nun also freut sich der Küchenmeister Kenneth Rentschler mit seinem „Faible für asiatische Küche“ darauf, eine Spur mehr Großstadtflair in Stuttgart zu legen. Und auch er hat beste Referenzen, arbeitete in Spitzenhäusern wie dem Zweisternerestaurant Ophelia in Konstanz und war zuletzt Souschef in der Speisemeisterei.
Erste Kostproben seines derzeit sechsköpfigen Teams – geplant wird mit insgesamt elf Küchenhandwerkern – gab es beim sogenannten Secret Opening für geladene Gäste. Ob vorneweg geräucherter Aal in Koriander-Minz-Ponzu-Soße und zweierlei Dim Sum, gefüllt mit Alblinsenschwein und Rotschwanzgarnele, oder als Hauptgericht sanft geschmortes Short Rib vom Hereford- Rind und glasig gegarter Kabeljau mit Lemon-Soße und Banane: Alles ist von herausragender Qualität. Fisch- und Fleischgerichte, die in 80-Gramm-Portionen serviert werden, sollen nicht mehr als 25 bis 28 Euro kosten. Es gilt das Sharing-Prinzip – es darf also am Tisch geteilt werden. Zudem werden zwei Menüs, darunter ein vegetarisches, auf der Karte stehen.
Beim Thema Wein ist man gut aufgestellt: Der Sommelier Marcel Saavedra Polan wurde in der Traube Tonbach ausgebildet und war zuletzt im Sansibar by Breuninger. Zur geheimen Eröffnung kredenzte er Champagner von Bollinger. Neben ebenso offen ausgeschenkten Großen Gewächsen sollen viele einfachere Weine offeriert werden, die preislich mit einer Hauscuvée von Fritz Waßmer für 4,50 Euro für 0,15 l starten.
„Wir wollen die Hemmschwelle vor der gehobenen Küche nehmen“, sagt Hoang Pham, ein „breites Publikum soll sich wohlfühlen können.“ Dazu könnte auch der Mittagstisch beitragen oder das Frühstück an Samstagen. Nachmittags soll es „Cups and Cakes“ geben, ehe abends das Fine Dining beginnt – an sieben Tagen die Woche. Dies alles „im Schutz der Stiftskirche“, die an heißen Sommertagen für schattige Plätze zuständig ist. Denn im Gebäude Am Fruchtkasten 3 geht es an zwei Seiten nach draußen: hin zum Brunnen am Seitenschiff der Kirche und aus der Showküche heraus durchs Garagentor mit Blick auf Schillerplatz und Alte Kanzlei.
Das Haus gehörte einst der Commerzbank, später der Baden-Württemberg-Stiftung und ist inzwischen im Besitz der Hess Investment AG. Die Gruppe mit Sitz in der Schweiz hat einen ehemaligen Stuttgarter als Geschäftsführer im Bereich Projektentwicklung. Klaus Morlock war einer der Gründer der legendären Pauls Boutique, die 1995 aus dem ehemaligen Drogentreff auf dem Kleinen Schlossplatz einen Hotspot der Ausgehkultur machte. Insofern habe er keine Sorge, dass auch die bislang dunkle Ecke zwischen Johannes-Brenz- und Schillerplatz dank der Gastronomie neu belebt wird. Ab 9. April ist regulärer Betrieb.