Historisches Volksfest Stuttgart
Das Jubiläum bringt das Volksfest in die Stadtmitte – und wartet dort mit einer Besonderheit auf. Im Festzelt gibt es historische Speisen. Zum Beispiel mit Sauerampfer und Schweinehirn, allerdings neu interpretiert: Wir haben sie getestet.
Essen wie vor 200 Jahren? Das könnten im Jahr 2018 die wenigsten richtig genießen, wenn überhaupt etwas Habhaftes auf den Tisch kommen würde aus Zeiten, in denen es längst nicht genug für alle gab. Insofern ist die „Speiskart‘ fir Hongerleider ond Feschtmichl“ im Traditionszelt auf dem Schlossplatz nur historisch nachempfunden, wie der Festwirt Marcel Benz, 39, und sein Küchenchef Sebastian Sauer, 33, einräumen. „Alte Gerichte eins zu eins nachgekocht – davon würden wir wohl nicht viel verkaufen“, sagt Sauer.
Dennoch kann er sich schon am ersten Tag über die Nachfrage von Spezialitäten freuen, die man heutzutage selten bekommt, wie die Hirnsuppe (6 Euro) etwa. „Wir sind von 30 Portionen am Tag ausgegangen“, aber schon bis zum ersten Nachmittag sei sie 70, 80 Mal bestellt worden. „Die Leute trauen sich“, sagt Sauer, dessen Suppe im Zeitalter nach dem BSE-Skandal Schweinehirn enthält und sanft, rund, würzig schmeckt, von ein paar salzigen Wibele getoppt. Wer nicht ganz so mutig ist, nimmt eine Sauerampfersuppe (6 Euro), „besser wie des, was d’Keenigin Katharina en ihre Suppakicha hot vrdoila lassa“, wie auf der Speisekarte vollmundig angekündigt wird.
In der Tat: Die Suppe ist nicht zu sämig, nicht zu sauer und hat hinten raus ein angenehmes Wiesn-, Pardon, Wiesenflair. Aber wo bitte kommt jetzt im Herbst kiloweise Sauerampfer her? Vom Keltenhof in Filderstadt, wo er das ganze Jahr gezogen werde, sagt Sauer. Nach dem Pürieren werde er zu einer Velouté, also einem hellen Fond mit Sauerrahm, gegeben. Täglich aufs Neue, denn dies als Indiz für eine frische Küche: Nach einem Tag wird der Sauerampfer grau.
15 Leute stehen in der Küche des Traditionszelts, um die Gerichte zu „finishen“, die Vorbereitung findet in Köngen statt, wo mit dem Hotel und Restaurant Schwanen die Keimzelle des Familienunternehmens ist. Marcel Benz, der auch Pächter des Plenums im Landtag ist, hat vor 13 Jahren den Catering-Bereich aufgebaut, auf dessen Logistik nun zurückgegriffen werden kann. Denn durch Großveranstaltungen mit mehreren tausend Gästen hat man Erfahrung mit einem gewissen Volumen. Ein großes Festzelt ist zwar Neuland für Benz, der aber in Karl Maier, dem Göckelesmaier, als „Paten“ einen guten Berater habe. Es ist also davon auszugehen, dass die „Geggele“, die es im historischen Zelt ebenfalls gibt (ein halbes mit Weckle für 9 Euro), in Ordnung sind.
Auf Empfehlung haben wir aber das „Schönbuch Wilderergulasch“ (15,80 Euro) probiert: schön mürbe geschmorte Rehstücke in süßlich-würziger Soße mit Semmelknödeln. Als Renner habe sich am ersten Tag etwas anderes erwiesen: der Gaisburger Marsch (7 Euro). Und offensichtlich auch die „Jubiläums-Brotwurscht mit Brotasoß ond Grombirasalat“ (9,50 Euro). Zu gern hätten wir den Kartoffelsalat nach einem 80 Jahre alten Rezept der „Oma Schwanen“ gekostet. Aber der war nachmittags schon aus. Schwacher Trost, gutes Zeichen: dass eben nicht ein Fertigeimer aus der Ecke gezogen und aufgemacht wird. Alternative Kostprobe: zum kräftigen Sauerkraut eine fluffig gerollte Maultasche, ebenfalls aus eigener Produktion, denn der Cousin Daniel Benz betreibt die Schwanen-Metzgerei. Originell zum Abschluss: ein Schwarzwälder Kirschkuchen aus dem Einmachgläsle (6,50 Euro).
Auch das Bier ist gut und irgendwie historisch. Erstmals und nur fürs Traditionszelt haben Dinkelacker und Stuttgarter Hofbräu gemeinsam ein naturtrübes, süffiges Bier gebraut (die Halbe im Steinkrug für 4,90 Euro). Schade, dass es so etwas nur alle 200 Jahre gibt. Schließlich kann man im Zelt bei echter Volksmusik vergleichsweise entspannt genießen. Und weil bis zur Eröffnung „nur“ 3500 Reservierungen bei 1300 Plätzen drinnen und 500 draußen eingegangen seien, müsste trotz des großen Andrangs schon am ersten Tag auch für spontane Besucher noch bis zum Finale am 3. Oktober was gehen.