Die Epicerie fine in Stuttgart

Die Epicerie fine an der Olgastraße verkauft Feinkost und täglich kocht die Chefin das Mittagessen. Wir waren auf einen kurzen Besuch in Frankreich.

Baguette vom deutschen Bäcker  ist kein Baguette lautet das strenge  Urteil von Cornelia Hebener: „Es sollte einfach einen anderen Namen haben,  Stangenweißbrot zum Beispiel. „Französisches Baguette hat innen viele kleine Löcher und ist außen knusprig“, erklärt sie und genau solches Brot will die Feinschmeckerin mit ausgeprägtem Hang zum Savoir vivre  in ihrer Epicerie fine, dem  Feinkostladen an der Olgastraße, Ecke Cottastraße verkaufen. Was also tun? Cornelia Hebener und ihr Ehemann Gerd holen Baguettes jedes Wochenende höchstpersönlich aus Frankreich. „Es ist nur kurz gebacken und lässt sich gut einfrieren“, verrät sie.

Aber nicht nur Weißbrot in größerer Menge bringen die Hebeners regelmäßig in ihrem geräumigen Kombi mit nach Stuttgart. In den diversen Kühlboxen transportieren sie auch andere Spezialitäten: Patés beispielsweise, die der Metzger in dem kleinen Ort Senones in den Vogesen auf ihren Wunsch hin in weiß-grünen Keramikformen gart: „Wir bestellen sie bei ihm vor,  zum Beispiel Campagne oder Chèvre – je nachdem. Es ist immer gut, wenn man die Händler persönlich kennt und die Franzosen sind ja viel freundlicher als die Deutschen“, sagt sie.  Senones, das Örtchen mit 2500 Einwohnern,  ist die zweite Heimat der Hebeners und sie kennen dort fast jeden, denn sie verbringen fast jedes Wochenende dort. „Man erfährt da auch immer gleich den Klatsch aus dem Ort“ – das gefällt dem Paar und Cornelia Hebener hat endlich Zeit zum Cello spielen.

Die Wohnung im Prinzenpalais des dortigen Schlosses hatten die beiden Stuttgarter schon  vor dem Laden an der Olgastraße. „Wir hatten damals zwei Doggen – und das geht ja gar nicht in der Stadt“, bekennt Claudia Hebener. Weil sie und ihr Mann schon immer eine Schwäche für Frankreich hatten, hatten sie deshalb  mit dem Gedanken gespielt, ganz dorthin aufs Land zu ziehen und begannen die Wohnung im Schloss zu renovieren. Doch dann kam alles ganz anders: „Jemand erzählte mir, dass das Ingenieurbüro aus der ehemaligen Bäckerei an der Olgastraße auszieht und dass es doch schade wäre, wenn da nicht wieder was reinkäme“ – etwas mit Genussfaktor. „Damals war ich gerade 50“, erzählt sie. Sie griff zu. „Der Laden mit den hellblau weißen Villeroy-und-Boch-Fliesen war schnuckelig.“ Zum Start damals vor 18 Jahren hatte sie eine einzige kleine Kühltheke, aber eigentlich wollte sie ohnehin nur Wein verkaufen. Aber sie hatte nicht mit den Wünschen der Kunden gerechnet: Die fragten hartnäckig nach Kleinigkeiten zum Essen.

„Ich konnte damals gar nicht kochen“, gesteht sie. Das sollte sich ändern. Cornelia Hebener vergrub sich in Kochbüchern und heute steht sie von Dienstag bis Samstag in der kleinen Küche und bereitet einen Mittagstisch auf hohem Niveau zu: Jakobsmuscheln mit schwarzen Sommertrüffeln und Spinattörtchen oder Kabeljau-Ceviche mit lila Süßkartoffeln und Avocado . „Ich gehe morgens um sechs Uhr zum Großmarkt und kaufe ein“, sagt sie. Danach geht es in die Küche. Die Gäste müssen sich vorher anmelden und die Speisekarte bekommen sie über den Email-Verteiler zugeschickt.

Montag ist Ruhetag in der Epicerie fine, denn da sind die Hebeners noch in den Vogesen und verladen ihre Einkäufe. „Früher sind wir dienstags um vier oder fünf Uhr aufgestanden und ich bin dann direkt in den Laden gegangen“, berichtet sie. Heute machen sie es sich gemütlicher und treten  die Rückreise am Montag an – mit leckerer Ladung. Den Rohmilchkäse holen sie in Straßburg beim berühmten René Tourette – und so gerüstet für die anstrengende Woche, geht es die insgesamt 300 Kilometer zurück nach Stuttgart.

Etwas verrückt, der ganze Aufwand? Mitnichten – wehrt die Feinkosthändlerin ab. „Ich möchte nicht aus Bequemlichkeitsgründen schlechtere Qualität bieten,“ betont sie. Und schwärmt davon, dass in Frankreich das Essen einen höheren Stellenwert besitzt als hierzulande: „Die Leute haben Interesse daran.“ Schon in der Ecole maternelle – der Vorschule – lernen die Kinder viel über Lebensmittel und später kommt die Ernährung auch im Lehrplan der Schule vor. Lebensmittel sind in Frankreich teurer und Cornelia Hebener beobachtet mit Bewunderung wie dort auch Menschen mit niedrigem Einkommen dafür sorgen, dass Qualität auf den Tisch kommt: „Sie gehen Pilze sammeln, wecken Bohnen ein oder fahren zum Erzeuger und kaufen dort ein.“

Dagegen wissen hierzulande, so zitiert sie eine Untersuchung,  55 Prozent der unter 30-jährigen nicht mehr, wie man aus verschiedenen Bestandteilen ein Essen zubereiten kann – und das, obwohl doch  im Fernsehen auf allen Kanälen gebrutzelt wird und es noch nie so viele Kochbücher zu kaufen gab.

Epicerie fine

Olgastraße 136

Geöffnet von Dienstag bis Freitag  von 9 bis 19 Uhr;

samstags von 9 bis 15 Uhr.

Mittagstisch von 12 bis 15 Uhr.

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