Die Markthelden von der Messe Slowfood

16 Messeaussteller von der Slowfood haben eine besondere Auszeichnung: Sie sind Markthelden! Boller Fruchtsäfte aus Göppingen ist einer davon, sie setzen sich für den Erhalt von Streuobstwiesen ein. Damit übererfüllen sie die Slow-Food-Kriterien. Die Messe läuft von 25. bis 28. April.

„Gut, sauber, fair“ lautet das Motto der Slow-Food-Bewegung, die mit ihrem „Markt des guten Geschmacks“ wieder Teil der Frühjahrsmessen in Stuttgart ist. Das klingt prima – aber was heißt das genau? Zum Beispiel nicht automatisch Bio. Wer wissen will, was handwerklich hergestellte Produkte von industriellen unterscheidet, was erlaubt ist und was nicht, der kann die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Slow-Food-Messe studieren. Generell nicht zulässig etwa sind Lebensmittelimitate oder Lebensmittelersatzstoffe sowie gentechnisch hergestellte Inhalts- und Zusatzstoffe. Beim Brot heißt es: keine Backmischungen und chemische Backmittel, bei Fleisch keine Reifung in Folie und bei Fruchtsäften keine Aroma­extrakte und Konzentrate.

Für Karin Stolz ist das und noch einiges mehr selbstverständlich. Die 51-Jährige leitet mit ihren Geschwistern Monika Fürnikl und Uli Stolz in dritter Generation den Familienbetrieb Boller Fruchtsäfte. Wie der Name andeutet, hat der seinen Stammsitz in Bad Boll, wo auch ein kleiner Kelterladen und zwei eigene Streuobstwiesen sind. Die Kelterei aber ist inzwischen in Göppingen-Jebenhausen.

Boller Fruchtsäfte ist einer der neuen sogenannten Markthelden, die die Slow-Food-Kriterien übererfüllen. 16 der 450 Aussteller dürfen diesen Titel tragen, mehr als die Hälfte davon kommt aus Baden-Württemberg. Was macht Boller so besonders? Zum Beispiel das Engagement für Streuobstwiesen. „Wir wollen das Bewusstsein fördern, diesen wertvollen Schatz, den manche als selbstverständlich hinnehmen, zu erhalten“, sagt Stolz. Die einzigartige Kulturlandschaft entlang des Albtraufs sei in Gefahr, weil viele Streuobstwiesen nicht gepflegt und Bäume abgeholzt würden, damit landwirtschaftliche Maschinen breitere Schneisen zum Mähen hätten. Stolz: „Da sollten manche lieber auf die paar Euro vom Bauern fürs Gras verzichten und die Bäume einfach stehen lassen. Sie müssen ja nicht mal geerntet werden.“ Denn die Bäume wie auch die Wiesen, die nicht öfter als zweimal im Jahr gemäht werden sollten, sind Lebensraum für Insekten und Vögel.

Um die Streuobstwiesen nachhaltig zu pflegen, wurde der Verein Wiesenobst gegründet, dessen Vorsitzender der Schaumwein- und Destillat-Spezialist Jörg Geiger in Schlat ist. Kleingrundbesitzer können für 30 Euro im Jahr Mitglied werden, wenn sie geringfügige Kriterien erfüllen: Im Kern geht es um den Abstand zwischen den Bäumen und darum, dass keine synthetischen Herbizide eingesetzt werden dürfen. Darüber hinaus gibt es Bonuspunkte für den Erhalt alter Sorten, eine „baumverträgliche Unternutzung“ wie Schafbeweidung oder auch die Bereitstellung von Nisthilfen, den Erhalt von Totholz und die Anlage von Blühstreifen.

Ziel ist, dass der Begriff Wiesenobst zur Unterscheidung von Plantagenfrüchten ein geschützter wird. Vereinsmitglieder können bis zum Doppelten des Marktpreises für ihre Anlieferung in der Boller Kelterei bekommen. Dort werden aus den vorwiegend Äpfeln und Birnen, manche davon Bio-zertifiziert, neben Standardsäften in der Literflasche auch Säfte in Bordeaux-Flaschen gemacht: aus „Streuobst-Hochstammsorten“ etwa oder sortenreine wie der vollmundige aus Topaz-Äpfeln.

„Saft ist ähnlich wie Wein ein Naturprodukt mit Charakter“, sagt Karin Stolz – zumindest, wenn man nicht wie Großhersteller mit ihren Eine-Millionen-Liter-Tanks alles gleich mache. Von den mehr als 400 Keltereien in Deutschland sei Boller laut Stolz eine mittlere Betriebsgröße mit einer Gesamtlagermenge von zwei Millionen Litern in Tanks, die „nur“ bis zu 76 000 Liter fassen. Vergangenes Jahr war man wegen der schlechten Ernte aufgrund des Blütenfrosts 2017 nicht auf der Messe, die Ernte 2018 sei aber sehr gut gewesen. Nun freue sich Stolz wieder auf die Slow Food. „Da interessieren sich die Leute wirklich für Herkunft und Herstellung eines Produkts, anstatt wie auf großen Verbrauchermessen nur zu schauen: Da gibt’s was umsonst – und dann sind sie gleich wieder weg.“

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