Essen fotografieren verboten! Was sagen Stuttgarter Köche dazu?

Keine inszenierte Food-Fotografie mehr und dazu die höfliche Bitte an Gäste, das Handy stecken zu lassen:  Juan Amador, der Starkoch, der im Remstal aufgewachsen ist und dieser Tage für sein Wiener Restaurant mit drei Sternen dekoriert worden ist, reagiert auf die übermäßige Knipserei im Restaurant. Übertrieben oder überfällig? Stuttgarter Sterneköche haben eine ganz eigene Meinung dazu.

Als wir Juan Amador kurz vor Beginn des Abendservice in seinem Wiener Restaurant Amador erreichen, ist er die Ruhe selbst. Hoch waren in den letzten Tagen die Wellen um seine Ankündigung geschlagen, er würde seine Gerichte nicht mehr von professionellen Fotografen ablichten lassen. „Foodporn ist Betrug am Gast“, hatte er offiziell verlauten lassen. Amador selbst begründet die Entscheidung mahlzeit.city gegenüber so: „Hier und da wäre es in der heutigen Zeit ganz sinnvoll, einen Schritt zurückzugehen. Gewisse Dinge einfach auf uns zukommen und dann in Ruhe wirken zu lassen. Beim Essen geht es um Aromen und Emotionen, doch das wird heute gar nicht mehr wertgeschätzt. Wo ist die Romantik geblieben?“

Aber genau das ist ja das Dilemma: Romantik und ein abwertender Begriff wie Foodporn schließen sich grundsätzlich aus. „Wenn uns ein attraktiver Mensch begegnet, möchte man den doch auch nicht gleich nackt sehen“, stellt er fest. „Hier geht es genauso um Empfindungen, und bei Foodporn bleibt das auf der Strecke.“ Das gelte nicht nur für die von ihm in Auftrag gegebenen Bilder, sondern auch für das Dauerfeuer der Handykameras seiner Gäste.

„Und dann sind da noch die sogenannten Influencer“, murmelt er. „Denen ist doch nur wichtig, das Foto als erster zu haben. Da setzt sich niemand wirklich mit dem Essen auseinander. Im Porno geht es nur um den reinen Akt, die Zärtlichkeit spielt keine Rolle. Und bevor es beim Essen auch nur noch darum geht, sollten wir die ganze Sache wieder entschleunigen. Ich bin ein Fan des Fortschritts“, schließt er sein Plädoyer, „aber nicht zu jedem Preis.“ Jüngst wurde sein Restaurant in Wien mit drei Sternen ausgezeichnet, das erste überhaupt in Österreich. Da werden die Gäste wohl auch ohne Fotos kommen.

Einen Verbündeten findet Amador, gebürtig übrigens aus Strümpfelbach, in Vincent Klink. Der Maestro aus der Wielandshöhe wundert sich nur ein wenig darüber, weshalb es so lange gedauert hat. „Ich hatte mindestens seit 15 Jahren keinen professionellen Food-Fotografen mehr im Haus“, verkündet er. Und hat gute Gründe dafür: „Diese fotografische Überinszenierung hat dazu geführt, dass gewisse Gerichte komplett von den Speisekarten verschwunden sind. Ich nenne da nur mal mein Lieblingsgericht, den Gulasch. Das sieht halt übel aus und eignet sich nicht für die Gourmet-Magazine. Ein brauner Haufen, der Schrecken eines jeden Food-Fotografen.“ Er habe auch noch keinen „dieser Illusionisten“, wie er die Food-Fotografen nennt, erlebt, der seine Lemberger-Kutteln fotografiert. „Im Grunde haben diese Leute also einen Teil des Genusses verdorben, weil das Essen niemals so aussieht wie auf diesen Bildern. Ich finde es gefährlich, die Erwartungshaltung höher zu schrauben als man sie letztlich erfüllen kann.“

Nun frequentiert ein durchaus eher gesetzteres Klientel sein Restaurant, das wahrscheinlich teilweise gar nicht in den sozialen Netzwerken unterwegs ist oder Restaurants vor dem Besuch googelt; bei einem seiner Kollegen aus Bietigheim sieht das schon anders aus. Im Restaurant Maerz kocht Benjamin Maerz seit 2013 unter einem Stern. Er ist frisch 31 geworden, entstammt also einer vollkommen anderen Köchegeneration – und ist in den sozialen Medien zu Hause. „Für meine Begriffe sind Food-Fotos unverzichtbar“, stellt er klar. „Gäste informieren sich heute vorab über das Restaurant und wollen sehen, was sie erwartet. Ansprechende Bilder und Präsentationen sind in allen Bereichen unserer Branche Entscheidungsfaktoren, die man nicht unterschätzen darf.“

Amadors Entschluss hält Maerz daher für „gute PR, aber deplatziert.“ Er begründet: Hier ist der Empfänger eher die Fachwelt. Der Endverbraucher – also letztendlich Hauptkunde und Geldbringer – werde sich von dieser Entscheidung vor den Kopf gestoßen fühlen. Genau in die gleiche Kerbe haut Marco Akuzun vom Sternelokal Top Air am Stuttgarter Flughafen: „Ich halte gar nichts von Vorschriften für den Gast.“ Und wenn dieser den Teller fotografieren will, dann soll er. „So sieht das Essen eben tatsächlich aus“, sagt Akuzun, „und wenn jemand einen Teller fotografieren will, dann zeigt das doch auch, dass es ihm Spaß macht und es ihm gefällt!“

Sternekoch Denis Feix aus der Zirbelstube, einem der besten Restaurants der Stadt, ordnet sich irgendwo in der Mitte zwischen Klink und Maerz ein, betont aber: „Ich glaube, dass viele auf ein gewisses Restaurant aufmerksam geworden sind, weil ihnen die Bilder gefallen haben. Und mal anders gefragt: Wer würde denn ein Wellness-Hotel buchen ohne jemals ein Bild eines Zimmers oder des Spa-Bereichs gesehen zu haben?“

Für ihn geht es um eine gute Balance. „Ich muss nicht jedes meiner Gerichte fotografieren und gleich hochladen. Die Frage ist also, ob es da nicht einen Mittelweg gibt, der das Visuelle nicht ausblendet, aber anders inszeniert.“ Er schmunzelt. „Mal sehen, was Juan Amador sich da überlegt.“ So oder so kann sich auch Denis Feix in der heutigen Zeit nicht ohne Food-Fotografie vorstellen. „Dennoch bin ich der Meinung, dass man nicht alles von sich verraten muss.“

Zurück zu den Fotos, die die Gäste am Tisch selbst machen. Auch da hat Benjamin Maerz eine eindeutige Meinung. „Wir können nicht erwarten, dass unsere Gäste und die Spitzengastronomie lockerer und entspannter werden, wenn wir Gastronomen am Ende selbst die größten Spießer werden.“ Ein halbes Fotostudio oder penetranter Blitz beim Fotografieren braucht dann aber auch er nicht in seinem Restaurant. „Trotzdem ist jedes Bild und jede Kommunikation nach außen Marketing und hilft uns, unser Restaurant bekannter zu machen.“ Auf einen Begriff wie Foodporn würde er aber – wie alle anderen auch – nur zu gern verzichten. Er stöhnt: „Es muss doch irgendwo jemanden geben, der einen besseren Ausdruck parat hat!“

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