Restauranttest: Das Relish x Gaiser in der City

Pop-up bedeutet ja: Da entsteht etwas auf Zeit, das bald wieder verschwindet. Das Relish x Gaiser im einstigen Kerns Pastetchen überzeugt derart, dass sich unser mahlzeit-Kritiker wünscht, das Restaurant möge doch möglichst lange erhalten bleiben. Das neue Konzept mit Kunst und Küche überzeugt auf ganzer Linie.

„Wohnst du schon oder lebst du noch?“, könnte man den Werbespruch eines Möbelriesen für die Hohenheimer Straße 64 zuspitzen. Bis zum Frühjahr war das die Adresse von Kerns Pastetchen. Einen neuen Pächter zu finden hat sich jedoch als schwierig erwiesen: kein Außenbereich, keine Parkplätze bis 21 Uhr und dazu eine gewisse Größe, die man bespielen muss. Doch nun ist mit einem Pop-up-Restaurant neues Leben eingekehrt.

Hinter der Mischung aus Lokal, Bar und Galerie stehen: Sebastian Gaiser, der bis vor Kurzem am Kaiser & Schmarrn im Bohnenviertel beteiligt war; Markus Hespeler, der einst auch im Pastetchen kochte und das Kreativ-Kollektiv Relish gegründet hat; Vincent Wapler hat außer seinen Privatpartys in Vinnie’s Bar keine Gastroerfahrungen, aber er ist Immobilienökonom und hat das Haus gekauft. Er rechnet damit, dass der Antrag für den Umbau zu Wohnungen bis Februar durch ist, wenngleich er sich auch freuen würde, wenn das Relish x Gaiser dauerhaft bleiben könnte.

Ob die 70 Plätze aber auch in der Open-Air-Saison so stark gefragt wären, dass es sich rechnet? Das Kunstambiente jedenfalls ist sehr ansprechend, der junge Service dank eines Dienstleisters sehr professionell und die Küche sehr gut – nicht nur für eine Interimslösung. Die Karte ist klein, aber oho: Die „winterliche Laubverkostung“ (7 Euro) ist ein schöner Mix aus Ackersalat & Co. mit fermentiertem Gemüse und karamellisierten Walnüssen, die ­Ceviche (12 Euro) ein Rechteck aus rohem Thunfisch und Avocados mit der wunderbaren Frische von Amalfizitronen. Das vegetarische Gericht „No need to kill“ (10/16 Euro) überzeugt als Dal mit knackigen ­Kichererbsen, einer kross-cremigen Aubergine und „blutenden Orangen“. Die „Austria Love“ (13/19 Euro) ist ein super­zarter sous-vide gegarter rosa Kalbstafelspitz mit herzhaften Linsen und fruchtig-würzigem Apfel-Pastinaken-Relish. Nur „Stuttgarts süßer Feinstaub“ (8 Euro) ist uns mit Mohn-Mousse, weißer Schokolade, marinierten Zwetschgen und grünem Technozucker etwas zu süß.

Gaiser schenkt gut ein, etwa einen Frühburgunder vom Weingut Diehl (5,50 Euro für 0,1 l), der Spaß macht – genau wie das ganze Konzept! Möge die Stadtgesellschaft mit den Füßen abstimmen, wie es weitergeht, denn in Stuttgart gibt es zu wenig Wohnraum und zu wenig originelle Gastronomie.

Relish x Gaiser
Hohenheimer Straße 64, S-Mitte
Telefon  01 72 / 8 00 96 70
Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag von 18 bis 1 Uhr, Dienstag, Mittwoch und Sonntag sind Veranstaltungen vorbehalten.

Die drei Macher: Vincent Wapler, Sebastian Gaiser und Markus Hespeler

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