Trend zu Alkoholfreiem – doch wie cool ist nüchtern?

Eine Barnacht ohne Alkohol – wie lustig ist das denn? Der Trendbegriff dazu heißt „Sober curious“, was nüchtern und neugierig bedeutet. Eric Bergmann, Bartender vom Jigger & Spoon, ist skeptisch, was das Ausrufen von Trends betrifft. Aber auch er tüftelt an innovativen, alkoholfreien Drinks.

Manche meinen, eine rechte Schnapsidee ist das, wenn Freunde der Barkultur mit alkoholfreien Destillaten herumexperimentieren. Können diese „Spirituosen“ für nullkommanull Promille etwa Abstinenzlern, die bei manchen als Spaßbremse gelten, die Freuden eines tollen Cocktails bringen, der nicht mit pappsüßen Säften und Sirup den Magen verklebt?

Angeblich ist nüchtern das neue Cool. In deutschen Metropolen, so wird von dort vermeldet, soll die „Sober Curious“-Bewegung aus den USA immer stärker werden. Genießen wollen demnach Barbesucher immer noch, aber sie wollen katerfrei den nächsten Morgen erleben.

Bartender Eric Bergmann, der in der mehrfach preisgekrönten Tresor-Bar Jigger & Spoon unterm Stuttgarter Hospitalviertel Drinks mixt, glaubt nicht, dass man von einem Boom sprechen könne, was den Umsatz von Alkoholfreiem betrifft. Seiner Meinung nach geht es bei Sober-Curious-Bars „um den verzweifelten hipsterartigen Versuch, anders zu sein.“ Man analysiere den Markt und suche nach der Lücke. „Und dann geht man dort mit der Brechstange rein“, beobachtet der 36-Jährige. Dies könne manchmal funktionieren, doch meist würden die Macher nach einer gewissen Zeit auf den nächsten Modezug springen.

Skeptisch ist der Stuttgarter Barkeeper, was das Ausrufen von Trendbegriffen betrifft. Angesichts der Sehnsucht nach gesunder, veganer, nachhaltiger Ernährung plädiert Eric Bergmann dafür, verstärkt alkoholfreie Mixgetränke in Bars anzubieten, „die sich vom Standard Sirup, Säure, Saft abheben“.

Auf die alkoholfreien Destillate, die derzeit im Handel sind, baut er nicht. „Die sind teuer“, sagt der Jigger-&-Spoon-Mann, „nicht lange haltbar und auch nur kühl aufbewahrbar, sobald sie angebrochen sind.“ Seit einigen Monaten, verrät er, „fokussieren wir uns auf die Suche nach innovativen, alkoholfreien Mixgetränken.“ Einfach sei das nicht.

„Mit Ethanol lassen sich andere Geschmäcker transportieren“, erklärt er. Sein momentanes Experiment kreist sich um selbst gemachtes Kaffeeöl. Kaffeebohnen müsse man in neutrales Öl geben und mazerieren. „Bleibt klar und bringt das Kaffeearoma mega rüber“, schwärmt Eric Bergmann. Seinem jüngsten Drink ohne Alkohol hat er den Namen Sour Sweet Symphony gegeben. Bestandteile sind: Kaffee-Apfel-Essig (mit Kaffeebohnen im Sous-Vide Verfahren aromatisiert), Jasmin Sirup und Pink Pepper Tonic. „Ganz cool“ schmecke dies.

Wird es schick, alkoholfreie Kreationen in angesagten Bars zu bestellen? Muss keiner in fröhlicher Runde ein schlechtes Gewissen haben, wenn er viel trinkt und nüchtern bleibt? Aber wer will einen Drink, bei dem sich nichts dreht? Das Jigger & Spoon gehört schon jetzt zu den Bars, in denen Gästen kein Alkohol mehr ausgeschenkt wird, wenn sie erkennbar alkoholisiert sind. Dies ist gesetzlich vorgeschrieben, doch etliche Wirte denken lieber an den Umsatz. Eric Bergmann sieht in betrunkenen Barbesuchern nur Nachteile: „Sie beeinträchtigen meist das Erlebnis der anderen Gäste in puncto Lautstärke, Pöbelei und Aggressivität.

Ein Blick in die Zukunft: Eines Tages, wenn keiner Auto in der Stadt fährt, trinkt man alkoholfreie Drinks, die optimal für Autofahrer sind. Wie nennt sich dieser Trend dann? Superkurios oder so.

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