Mehr Kinder begeistern für ein Gourmet-Menü

Der Kinderteller als Maß der Dinge? Patrick Giboin nimmt den Kampf auf gegen panierte Schnitzel mit Pommes und Ketchup, Fischstäbchen oder Spaghetti als allein selig machendes Essen für den Nachwuchs. Der Chef des Degerlocher Fässle will, dass auch Kinder leben dürfen wie Gott in Frankreich. Als Feinschmecker. Mit eigener Menükarte.

Patrick Giboin sitzt im Hof vom Fässle, das eine sehr kuschelige Atmosphäre versprüht, und zuckt nur mit den Schultern. „Wenn die Kinder bei mir Pommes mit Ketchup bestellen“, sagt der füher schon mit einem Stern dekorierte Koch, „muss ich leider nein sagen. Die schmecken mir auch manchmal, aber das mache ich nicht, dafür gibt’s andere Lokale.“ Diese Aussage ist bei dem gebürtigen Franzosen ein Statement, das nichts mit Überheblichkeit zu tun hat, sondern mit Überzeugung. Fast jeden Tag würde man in der Zeitung über das Übergewicht von Kindern lesen, nur deshalb fordert er einen bewussteren Umgang mit dem Essen. Bewusste Ernährung sei auch gesunde Ernährung.

„In meiner Heimat Frankreich essen Kinder immer wie die Erwachsenen  mit mehreren Gängen“, sagt Giboin, genau dies will er nun auch den Deutschen nahe bringen. Hier ist es nämlich immer noch üblich, dass der Kinderteller eine günstige Sache ist, die Kleinen satt zu bekommen. Vor allem: Der Kinderteller entbindet die Eltern von kulinarischer Überzeugungsarbeit, vom quengelnden Nachwuchs angesichts zu viel Gemüse auf dem Teller bleiben die Eltern verschont. Dabei zeigt die Erfahrung des Kochs: Zu fünfzig Prozent wollen tatsächlich die Kinder das einfache, eher ungesunde Essen, zu fünfzig Prozent, schätzt er, sagen dies aber auch die Eltern in vorauseilendem Gehorsam. „Dabei ist es doch immer noch etwas Besonderes, wenn man in ein Restaurant geht!“

Im Fässle gibt es fortan nun also auch ein Menü mit Amuse Bouche für die Kinder für 25 Euro (Kinder unter zwölf Jahre). Klar, das ist mehr als die üblichen fünf bis acht Euro für einen Kinderteller und deshalb auch für viele Eltern abschreckend. Aber um die Gewinnmaximierung geht es Patrick Giboin als Letztes. „Wer will, kriegt auch weiterhin für sein Kind einen Teller mit Spätzle und Soß“, sagt der Spitzenkoch. Seine heren Absichten unterstreicht er derweil mit einer einfachen Rechnung: Er möchte ja bewusst mehr Kinder anlocken, „und jedes Kind braucht einen Platz wie ein Erwachsener“. Da seien die 25 Euro wirklich niedrig kalkuliert. „Um den Gewinn geht es mir hier wirklich nicht.“

Die Kinder erwartet nun nach französischem Vorbild nach dem Gruß aus der Küche beim klassischen Menü eine Flädlessuppe oder eine grbratene Garnele auf Gemüsebett. Oder im zweiten Menü eine gebratene Jakobsmuschen mit Erbsen und Karotten. Als Hauptspeise gibt’s einen kleinen Rostbraten mit Spätzle und Gemüse, Tagliatelle mit Tomatensoße und Parmesan oder einen Kalbsrücken in Bayonne-Schinken mit Pfifferling-Bohnen-Sauté und gebackener Polenta. Das klingt schon mal spannend, experimentelle Küche sieht aber anders aus.

Das Experiment des Franzosen sorgte bisher noch nicht für einen extremen Ansturm, aber die ersten Familien erfreuten sich am Menü. Was auch ein bisschen damit zusammenhängen mag, dass seine drei Kinder auf die französische Schule gingen und die Kinder dort schon einem etwas anderen Einfluss ausgesetzt seien. Grundsätzlich sei einfach nicht einzusehen, dass deutsche Kinder nicht lernen können, was französische tun. Warum nicht den Nachbarn nacheifern statt immer nur den US-Amerikanern mit ihrem Hang zu Pizza und Burgern? Die Entwicklung dort in Sachen durchschnittliches Körpergewicht zeige doch ganz genau, wo der Fehler im System liegt. Dem arbeitet das Fässle nun entgegen.

Fässle

Löwenstraße 51, S-Degerloch
Telefon  0711 / 76 01 00.
Nach der Sommerpause vom 27. August ab 18.30 Uhr wieder geöffnet.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag von 12 bis 14 Uhr und von 18.30 bis 23 Uhr.

restaurant-faessle.de

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