Bier als Hobby: Die Stuttgarter Kesselbrauer

Deutschland ist bekannt für seine Bierkultur, über 1400 Brauereien gibt es in ganz Deutschland. Und: Während in anderen Branchen immer mehr Betriebe zusammen gehen, wächst der Markt sogar! In Stuttgart kann man das Brauen sogar im Verein pflegen.

Seit vor einigen Jahren die Craft-Beer-Welle aus Amerika nach Deutschland geschwappt ist, reden auch in Stuttgart alle über handwerklich gemachtes Bier: in Kneipen, beim Craft-Beer-Festival (das vierte seiner Art fand im April in den Wagenhallen statt), im Kraftbier0711-Blog – und organisiert im Verein! Seit 2016 gibt es die Kesselbrauer Stuttgart e. V. mit inzwischen 47 Mitgliedern, die bald vielleicht auch ein Vereinsheim haben werden.

Der Vorsitzende Alexander Lebèus hat seinen Wohnsitz samt Brau-Anlage zwar in Esslingen, aber viele Kesselbrauer brauen tatsächlich im Kessel, womit jetzt nicht nur der Sudkessel aus Edelstahl gemeint ist. Die Mitglieder sind bunt gemischt im Alter von 23 bis 60 Jahren, vier Frauen sind darunter und mit Suzane Rota als Vereinssprecherin sogar eine Diplom-Biersommelière. Auch Lebèus arbeitet auf das Diplom hin, das man im privaten Ausbildungsinstitut Doemens bei München erhalten kann. Deswegen müsse er derzeit viel probieren und studieren, „die Zunge trainieren“. Lebèus, im Brotberuf Interior-Designer in einem Küchenstudio, sagt, wichtiger als die Größe und Ausstattung der Anlage sei für einen Kesselbrauer ohnehin die Sensorik: „Wie schmeckt’s denn eigentlich?“ Als Vereinsmitglied müsse man nicht einmal selbst brauen – fast alle tun es aber. Er selbst bringt es mit seiner mobilen Anlage im Garten auf 600 Liter im Jahr. Suzane Rota, von Haus aus Chefassistentin in einem mittelständischen Unternehmen, braut daheim im Bad mit einer halbautomatischen Zehn-Liter-Anlage, über die manche lachen würden. Für professionelle Brauer sind solche Mengenangaben sowieso ein Witz.

Der Begriff Craft Beer ist in Deutschland nicht klar definiert. Eigentlich, so Lebèus, könnte man alles unterhalb der jährlich fünf Millionen Hektoliter aus Großbrauereien als Craft Beer bezeichnen. Für den Hausbedarf produziere man in einer Runde in der Regel 20, 30 Liter. Auf dem Markt verkaufen dürfe man das Ergebnis von sieben Stunden Arbeit nicht. Auch die drei Siegerbiere, die aus dem alljährlichen Vereinswettbewerb ins Craft-Beer-Festival einfließen, müssen dafür in einer gewerblichen Brauerei hergestellt werden.

Im Prinzip wird also für den Eigenbedarf produziert. Und für den Austausch. „Man bekommt schnell einen großen Freundeskreis“, sogenannte „Saufziegen“, wie Lebèus sagt. Eines aber muss er klarstellen: „Wir sind kein Saufverein!“ Suzane Rota spricht scherzhaft von „betreutem Trinken“ und meint im Übrigen: „Frauen, die kein Bier mögen, haben vielleicht noch nicht das richtige Bier probiert.“ Zwar habe man jüngst auf einem Vereinsausflug nach Prag „den ganzen Tag getrunken“, erzählt Lebèus, „aber eher so wie bei einer Weinprobe“. Heißt also: Wenn man mal sechs, sieben Biere hintereinander verkostet, wird im Verein nur genippt und dann weitergereicht.

Generell geht es den Kesselbrauern um die Pflege der Bierkultur, die in Deutschland eine große Tradition hat. Das Reinheitsgebot, das im Gegensatz zu manchen Nachbarländern für die Herstellung von echtem deutschem Bier nur Hopfen, Malz, Hefe und Wasser zulässt, sieht Lebèus als „zweischneidiges Schwert“. Er findet es einerseits gut, dass nicht mit technischen Tricks oder Enzymen gearbeitet werden darf, bedauert jedoch andererseits, dass sich keine Naturprodukte wie Mangopüree oder Rhabarber einsetzen ließen. Aber mit Hopfenkreuzungen und deren besonderem Aroma könne Bier auch ohne Zusatzstoffe nach Maracuja, Orangen, Beeren und Kokos schmecken – und trotzdem dem Reinheitsgebot entsprechen. Lebèus sagt: „80 Prozent des deutschen Craft Beers sind konform gebraut.“

Das Vereinsleben der Kesselbrauer, die gut vernetzt sind mit Stuttgarter Institutionen wie der Cast-Brauerei und der Kraftpaule-Bar, spielt sich mal hier, mal dort ab: Sei es bei Seminaren zum Thema Fehlgeschmack oder richtiges Zapfen, beim offenen Hobbybrauerstammtisch oder anstehenden Ausflügen in die Nesselwanger Post und zur Brau-Beviale nach Nürnberg. Ein Vereinsheim gibt es noch nicht, aber das könnte sich demnächst ändern. Der Kesselbrauer Uli Sailer hat Anfang des Jahres in Gerlingen im ehemaligen Traditionsgasthaus Hirsch die Mitmachzentrale als Plattform für Bürgerprojekte ins Leben gerufen. Dort finden alle möglichen Arten von nachbarschaftlicher Hilfe, Workshops und Veranstaltungen statt wie jüngst auch das Braukulturfest der Kesselbrauer. Nun schwebt den Machern vor, in der Mitmachzentrale ein offenes Kommunalbrauhaus zu installieren, in dem nach Lebèus‘ Vorstellungen „die Gerlinger ihr Bier brauen und mit nach Hause nehmen können“. Eine Küche gibt es in dem zuvor leerstehenden Gasthaus noch – und Platz für einen allmonatlichen Kesselbrauerstammtisch sowieso.

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