Eine Bäckerei fürs Viertel als Herzensprojekt
Urgetreide mit urbanem Flair im Stuttgarter Westen: Seit Mai versorgt die Bäckerei Jušinski in der Nähe der Russischen Kirche ihre Kunden mit Brot. Kaffee trinken kann man dort auch. Mit „Brot und Liebe“ haben sich hier zwei Frauen den Traum vom eigenen Laden erfüllt.
Wer auf Höhe der Haltestelle Russische Kirche mit knurrendem Magen oder Koffeinbedarf die Hegelstraße hinabblickt, dem verheißt eine Brezel Erlösung. Das Laugengebäck ziert das Haus an der Hegelstraße 41. Zuletzt fand sich hier ein Stephansbäck, der wegen der Insolvenz der Kette schließen musste. Seit Mitte Mai gibt es an gleicher Stelle nun weit mehr als Franchise-Brötchen und Kaffee am Stehtisch. Mit „Brot und Liebe“ haben sich Jasna und Monika Jušinski den Traum vom eigenen Laden mit Café erfüllt.
„Den Wunsch, Produkte verkaufen zu können, hinter denen wir persönlich stehen, und unser Geschäft so einzurichten, wie es uns vorschwebt, gab es schon lang“, erzählt Monika Jušinski. Die 28-Jährige ist quasi hinter dem Verkaufstresen groß geworden. Ab 1993 hatten die Eltern die Nachbarschaft im Auftrag wechselnder Franchise-Unternehmen mit Semmeln und Teilchen versorgt. Mutter Jasna (54), eigentlich gelernte Arzthelferin, ist froh, dass diese Zeiten vorbei sind. „Brot und Liebe ist ein Herzensprojekt, das wir verwirklichen konnten“, erklärt sie. „Wir haben mit einer Innenarchitektin zusammengearbeitet und einen Raum gestaltet, der ganz auf unsere Kundschaft zugeschnitten ist. Hell und modern, aber auch einladend. Die Leute sollen sich hier wohlfühlen.“ Gardinen und Ohrensessel laden zum Bleiben ein. Eine Kombination aus weißen Kacheln, Glas und Holz verbindet im Verkaufsbereich das Rustikale mit dem Urbanen.
Etwas Besonderes ist das Sortiment der Bäckerei. In Kooperation mit dem Bäckerhaus Veit bieten sie Brot aus Dickkopf- und Rotkornweizen oder Emmer. Angebaut wird das Urgetreide von Veit selbst in Bempflingen. „Wir wollten unbedingt regionaler werden und mit einem Partner zusammenarbeiten, bei dem die Qualität stimmt“, so Jasna Jušinski. „Die Reaktionen sind sehr positiv“, ergänzt ihre Tochter. „Wir haben in den ersten Wochen viel Brot angeschnitten und die Leute probieren lassen. Sie sind sehr begeistert.“ Auch über einen so schmucken Treffpunkt im Viertel. Zwischen Schließung und Neueröffnung sei fast ein Jahr vergangen, blickt Monika Jušinski zurück. Viele der früheren Kunden seien nach der Neueröffnung sofort wieder da gewesen. Das liegt mit Sicherheit nicht nur am Angebot, sondern auch an der freundlichen und offenen Art der Jušinskis.
Ein nettes Wort können Brotkäufer und Liebhaber von Kaffee und Kuchen immer erwarten. Gerne auch in der eigenen Landessprache. „,Hallo‘ und ,danke‘ funktioniert auf Italienisch, Türkisch, Russisch, Kroatisch und Schwäbisch“, versichert die gebürtige Kroatin Jasna Jušinski lachend. „Wir sind glücklich, dass wir endlich wieder für die Leute da sein können“, stellt Monika Jušinski, die nach dem Abitur direkt ins Backwarengeschäft eingestiegen ist und zeitweise selbst eine Franchise-Filiale leitete, fest. „Wir mussten wirklich alles rausreißen und praktisch bei Null anfangen.“ Während der Renovierung sah es zwischendurch so trostlos aus, dass sie sich kaum vorstellen konnten, je ans Ziel zu kommen. Wie gut es dann doch gelungen ist, belegt die Aussage einer russischen Dame, die ihrer Bekannten mitteilt, wie angetan sie von der Neueröffnung ist: „Ein Bäcker hat uns hier so sehr gefehlt“, seufzt sie. „Und jetzt haben wir so einen schönen.“